Digenea

Von Fischern und Anglern entdeckt.

Im Herbst 2012 fing ein Angler einen etwa 25 cm langen Flussbarsch (Perca fluviatilis) in einem Gewässer in der Nähe von Radeberg. Um den Fisch zuzubereiten, enthäutete er ihn und entdeckte dabei unter der Haut gelbliche, wenige Millimeter große Einschlüsse in der Muskulatur des Rücken- und Schwanzbereichs. Er berichtete, dass ein mit dem Messer entferntes Exemplar munter auf der Messerklinge entlang kroch und dokumentierte die Lebewesen fotografisch (Abb. 1 und 2). Leider war anhand der Fotografien keine eindeutige Diagnose möglich, so dass dem Angler empfohlen wurde, beim Fang weiterer betroffener Fische diese in gekühltem Zustand an den Fischgesundheitsdienst (FGD) der Sächsischen Tierseuchenkasse oder die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA) einzusenden.

Etwa sechs Wochen später wurde der Teich abgelassen. Dabei wurde festgestellt, dass ca. 10% der vorhandenen Barsche mit den beschriebenen Parasiten befallen waren.

So konnte  Probenmaterial der LUA zugeführt werden. Dort wurden in den oberen, hautnahen Muskelschichten zahlreiche Zysten mit Metazerkarien digener Trematoden (Digenea) nachgewiesen. Dabei handelt es sich um bestimmte Larvenstadien (Metazerkarien) von parasitisch lebenden Saugwürmern (Trematoden), die für ihre Entwicklung einen oder mehrere Wirts- und Generationenwechsel benötigen (Digenea = griechisch: „zwei Generationen“).


Ein beispielhafter Entwicklungszyklus aquatischer Digenea-Spezies ist in Abb. 3 gezeigt. Fische fungieren dabei in den meisten Fällen als zweite Zwischenwirte und beherbergen damit Metazerkarien, welche die infektiösen Stadien für die Endwirte darstellen. Nachdem die Endwirte – je nach Trematodenart selten Fische, häufig Wasservögel oder fischfressende Säugetiere – die Metazerkarien mit der Nahrung (z.B. in rohem Fisch) aufgenommen haben, leben die ausgewachsenen Würmer im Verdauungskanal, vermehren sich dort und legen Eier, die wiederum mit den Ausscheidungen in die Umwelt und ins Wasser gelangen können. Hier schlüpft die erste Larve (Mirazidium) aus dem Ei und infiziert den ersten Zwischenwirt, eine Wasserschnecke. Nach mehreren Entwicklungsschritten verlässt die zweite Larve (Zerkarie) die Schnecke und wandert in der Regel in den zweiten Zwischenwirt ein, in dem sich die Metazerkarie ausbildet und wiederum darauf wartet, dass sie von einem Endwirt aufgenommen wird. Bei einigen Trematodenarten ist die Zerkarie in der Lage, sich direkt und ohne Einschaltung eines zweiten Zwischenwirts in den Endwirt einzubohren und sich in dessen Darm zum ausgewachsenen Parasiten heranzubilden.

Da bei Fischen bislang etwa 2.000 Digenea-Arten beschrieben wurden, ist eine Art- oder Gattungsbestimmung anhand morphologischer Kriterien (makroskopisch oder mikroskopisch sichtbarer Merkmale), nahezu unmöglich. Deshalb wurde an der LUA eine Genanalyse durchgeführt und das Resultat mit einer weltweiten Datenbank verglichen.

Im Ergebnis handelt es sich bei den gefundenen Parasitenstadien um Metazerkarien der Gattung Clinostomum. Natürliche Endwirte können beispielsweise Seevögel sein, die damit als ein Erregerreservoir gelten und in denen die ausgewachsenen Würmer in Schlund und Kropf leben. Bestimmte Arten der Gattung Clinostomum sind auch in der Lage, Menschen zu infizieren, sofern die lebenden Metazerkarien mit der Nahrung, also mit rohemFischfleisch, aufgenommen werden. Auch beim Menschen würden sich die Parasiten bevorzugt im Schlund ansiedeln und  zu unangenehmen Entzündungen (Pharyngitis) führen.

Insgesamt treten für die menschliche Gesundheit bedeutsame Infektionen durch Trematoden im Fischfleisch in unseren Gewässern relativ selten auf. Barsche und andere Weißfische gelten als bevorzugte Zwischenwirte, da sie dem Nahrungsspektrum der oben genannten Tierarten entsprechen. Beim Verzehr von rohem Fischfleisch in Form von Salaten oder Sushi sollte aus den genannten Gründen eine gründliche Kontrolle des Fischfilets vorangehen. Durch Erhitzen bzw. Durchgaren (mindestens 60° C Kerntemperatur für einige Minuten, U.S. Food & Drug Administration, FDA 1997) oder Einfrosten (-20° C für mindestens sieben Tage, FDA 2001) vor dem Verzehr des Fischfleischs kann eine Infektion mit jeglichen Parasiten durch den Genuss von Fischfleisch (Zoonose) ausgeschlossen werden. Parallelen ergeben sich bei Meeresfischarten wie dem Hering (Clupeidae), wo Infektionen mit dem Zwergfadenwurm Anisakis simplex bei bis zu 70% der Fische zu erwarten sind. Weil diese Würmer beim Menschen eine Zoonose auslösen können, werden Heringe, bevor sie in den Verkehr gebracht werden, tiefgefroren. Dies tötet die Parasiten wirkungsvoll ab.

Zusätzlich sollten von Fischern und Anglern aufgefundene Veränderungen des Fischfleisches diagnostisch abgeklärt werden, um zum einen das zoonotische Risiko einschätzen zu können. Zum anderen ist es auch aus wissenschaftlichen Gründen wichtig, die Kenntnis über Artzusammensetzung und –verbreitung der Parasitenfauna in Sachsen zu vergrößern.


Abb.1: Metazerkarien auf der Fischmuskulatur, Foto: Noltenius, Lichtenberg

Abb. 3: Digeneazyklus


Dr. Kerstin Böttcher, Dr. Grit Bräuer, Fischgesundheitsdienst der Sächsischen Tierseuchenkasse

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